Mit brummenden Motoren schieben die Bagger ihre Schaufeln unter Betonplatten und Steinbrocken, heben sie vorsichtig an, hieven sie zur Seite, lassen sie zu Boden gleiten, als inmitten all des Lärms einer der Bergungsarbeiter plötzlich winkt und ruft: "Ruhe!" Der Mann steht auf einem etwa zehn Meter hohen Berg aus zerborstenen Wänden, verbogenem Stahl und tonnenweise Stein und Staub. Um ihn herum stehen weitere Bergungsarbeiter, stehen Männer und Frauen, deren Eltern, Kinder, Brüder, Schwestern, Freundinnen und Freunde in den zerstörten Häusern lebten – und womöglich starben. Mehrere Hundert Menschen, die hier miteinander reden, warten, hoffen, weinen. Hier, in Kahramanmaraş am Rand des Taurus-Gebirges, einer türkischen Großstadt mit knapp 600.000 Einwohnern, einer Stadt, die in weiten Teilen in sich zusammengefallen ist.

"Ruhe!", "Ruhe!", rufen noch mehr Bergungsarbeiter, sie rudern mit den Armen, sie schreien noch lauter. Endlich halten die Bagger inne, die Motoren verstummen, die Menschen schweigen.

Der Hund eines israelischen Rettungsteams hat angeschlagen. Das Tier ist auf den Geruch lebender Menschen trainiert. Kann es sein? Ist hier, tief unter den Trümmern, doch noch wahr, was längst unmöglich schien? Lebt jetzt, fast sechs Tage nach dem Beben, dort unten unter den Steinen noch jemand? …