Für einen Sonnenuntergang ist es viel zu früh, und doch glüht der Himmel über dem Örtchen asch-Schemiya im fernen Südosten Mauretaniens orangefarben. Die Luft ist voller Sand. Wind peitscht ihn über das Land; der Sand durch- dringt alles, hüllt alles ein. Sand bedeckt auch den Hof im Quartier der Nationalgarde, einem Fort mit gelben Mauern und spitz zulaufenden Wach- türmen am Fuß einer Düne, wo Messud Mbeirik und seine 30 Männer ihre Dromedare beladen. Es sind zweieinhalb Meter hohe, bis zu eine Tonne schwere Tiere, einige der widerstandsfähigsten Geschöpfe der Welt. Mbeirik und seine Männer bereiten sich für eine Patrouille vor. Sie wird sie, eine knappe Woche lang, durch die entlegensten Winkel dieses lebensfeindlichen Landes führen.

„Wir werden zu den Camps der Nomaden rei- ten“, sagt Mbeirik, während er durch die Reihen seiner Männer stapft und kontrolliert, ob sie or- dentlich packen. Sie stopfen in routinierten Hand- griffen Kekse und getrocknetes Fleisch in Sattel- taschen, dazu Tee und kilogrammweise Zucker. Ihre wichtigste Fracht: Wasser. Nun, Ende Mai, am Ende der Trockenzeit, können die Tempera- turen die 50-Grad-Marke brechen. Jeder von Mbeiriks Männern zurrt an seinem Tier Kanister und Ziegenhäute fest, die bis zu 50 Liter fassen.

Noch etwas darf nicht fehlen: das Sturmgewehr AK-47, ihre Standardwaffe.

Messud Mbeirik ist Zugführer der Meharisten, einer Spezialeinheit der mauretanischen Natio- nalgarde. Auf ihren Dromedaren können sie in Gegenden vordringen, die so unwirtlich sind, dass selbst Allradwagen stecken bleiben würden. Es sind Gegenden, die Dschihadisten aus Mali nutzen könnten, um unbemerkt nach Mauretanien einzudringen. Gegenden, in denen die islamistischen Gotteskrieger die nomadische Bevölkerung auf ihre Seite ziehen könnten. Das zu verhindern, ist die Aufgabe von Mbeirik und seinen Männern.

Am späten Nachmittag, die Kraft der Sonne hat etwas nachgelassen, straffen die Meharisten die Sättel. Die Dromedare stoßen dumpfe, gurgelnde Schreie aus, so als ahnten sie, welch ein Kraftakt …

Ausgabe: GEO 02/2023