Als er noch ein Terrorist war, hatte Mouhamadou Ibrahim ein Mordwerkzeug, das er besonders liebte: die Pulemjot Kalaschnikowa, kurz PK, ein Maschinengewehr russischen Fabrikats, das fingerdicke Projektile ausspuckt, 650 Schuss pro Minute. Normalerweise steht die PK auf einem Stativ. Ibrahim warf sich ein paar Munitionsgürtel über die Schulter und feuerte sie aus der Hüfte ab. “Wenn du mit so einer Waffe kämpfst, weisst du nicht, wie viele Menschen du tötest”, sagt er. Der Lärm des Gewehrs, die Schreie seiner Opfer, das Blut – all das blendete er aus. “Wenn ich ‹Allahu akbar!› gerufen habe, war mein Kopf leer.”

Während Mouhamadou Ibrahim erzählt, sitzt er an einem sicheren Ort: ein Pavillon am Rand des Nationalmuseums in Niamey, der Hauptstadt des Niger, Westafrika. Licht bricht durch die Spalten des Baus aus Holz und Reet und malt grelle Muster auf den Körper des 43-Jährigen. Ibrahim trägt einen schwarzen Turban, unter dem eine markante Zornesfalte hervorlugt. Er hat einen dichten Bart und ist in ein blaues, bodenlanges Gewand gehüllt. “Mein Kampfname war
Abou Warara Wakass”, sagt er, “der Löwe”.

Es ist Anfang September, Mouhamadou Ibrahims Erinnerungen sind noch frisch. Erst vor ein paar Monaten hat er sei-
ne PK niedergelegt. Er ist einer von mehreren Hundert Männern, die sich auf ein Aussteigerprogramm der nigrischen Regierung eingelassen haben. Eines der wenigen im Kampf gegen den Terror im Sahel, die tatsächlich funktionierten. Zumindest bisher. Ende Juli stürzte das Militär den Präsidenten des Niger, Mohamed Bazoum. Seither regieren Generäle. Vieles ist nun ungewiss, auch, was aus den Aussteigern wird. “Die neuen Machthaber wissen nicht mal, wer ich bin”, sagt Ibrahim. Seit dem Putsch gibt es für ehemalige Terroristen keine Betreuung mehr, keine Ausbildung, keine Arbeit, kein Geld – nicht mal, um zu essen. “Wir sitzen rum und wissen nicht, was wir mit uns anfangen sollen.” Ibrahim hat einen grossen Teil seines Lebens mit der Waffe in der Hand verbracht. Jetzt überkom- men ihn Gefühle, die er fast vergessen hatte: Langeweile, Ohnmacht, bald vielleicht auch Hunger. “In letzter Zeit vermisse ich es zu kämpfen”, sagt er …